55 Baustellenromantik

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Gleich morgens kommt das schwere Gerät, der blaue Greifer, der grüne Beißer, der gelbe Räumer und die beiden Schieber. Ich kann sie schon fast nach ihren Quietschgeräuschen unterscheiden. Seit sechs Monaten holen sie aus den Untiefen der alten Brauerei riesige Kessel raus und zerbeißen sie in Stücke. Darin wurde mal das Bier gebraut, wusste gar nicht, dass die so groß sind. Sie sehen aus wie sowjetische U-Boote oder alte Raumsonden, die jemand verramschen möchte. Zuerst waren es nur einer oder zwei, dann immer vier oder fünf auf einmal. Dabei werden die Kessel umhergerollt, dass die ganze Gegend wackelt und bebt. Donnergrollen, Quietschen, Getöse und Geknalle und ab und an ein Kreischen wie aus der Kehle eines ausgestorbenen Sauriers. Eine Mischung aus Mordor, Zahnarztbohrer und der Detonation von Blindgängern. Das haben wir nun jeden Tag von halb acht bis achtzehn Uhr außer an den Wochenenden und den Feiertagen. Schade, dass in unserer Häuserreihe kein Kleinkind mehr wohnt. Die Eltern hätten es den ganzen Tag einfach auf dem Balkon abstellen können – zur Baustellenbeobachtung. Kitagebühren gespart.

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